Die vom Bundesumweltministerium vorgestellten Eckpunkte für ein neues Gesetz zur Reduzierung des Verpackungsmülls bewertet der Handelsverband Deutschland (HDE) kritisch. Sowohl der Zeitpunkt des Vorstoßes als auch die vorgesehenen Regelungen sind aus Sicht des Verbandes äußerst problematisch. Es werde verkannt, dass Verbraucherinnen und Verbraucher mit Blick auf Mehrwegangebote bereits heute eine umfangreiche Wahlfreiheit hätten. Zudem sei offen, wie die finanzielle Zusatzbelastungen gestemmt werden sollen.
„Die geplanten Regelungen zur Mehrwegangebots- und zur Rücknahmepflicht für alle Getränkeverpackungen haben erhebliche Auswirkungen auf die Händlerinnen und Händler. Neben umfangreichen Umbauarbeiten in den Filialen muss teilweise eine komplett neue Logistik aufgebaut werden. Kurzfristig wird das nicht umsetzbar sein“, so Antje Gerstein, HDE-Geschäftsführerin Europapolitik und Nachhaltigkeit. Der Einzelhandel biete seinen Kundinnen und Kunden eine große Bandbreite sowohl im Bereich der Einweg- als auch der Mehrweggetränkeverpackungen. Mit der neuen Verpflichtung kämen erhebliche logistische und bauliche Belastungen auf die Branche zu, die einen ausreichenden zeitlichen Vorlauf benötigten. „Auch die Frage der Finanzierung dieser zusätzlichen Kosten muss beantwortet werden“, so Gerstein weiter. Angesichts der notwendigen Investitions- und Betriebskosten sei davon auszugehen, dass für Getränke in Mehrwegverpackungen eine Preisanpassung unumgänglich sei. Zudem fehle es an einer validen Grundlage für eine Mehrwegangebotspflicht. Der HDE hielte für eine derartige Maßnahme eine aktuelle Studie zu den Ökobilanzen mit eindeutigen Ergebnissen für notwendig. „Die Erwartung an den Handel, die Mehrwegquote mit einer Angebotspflicht für Mehrweggetränkeverpackungen signifikant zu erhöhen, sind überzogen. Es gibt keine Garantie dafür, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher ihren Konsum entsprechend anpassen“, so Gerstein weiter.
Auch die Vorgaben zur Ausweitung der Mehrwegangebotspflicht kommen laut HDE übereilt. „Die bisherigen Regelungen gelten erst seit einem halben Jahr. Und bei der Umsetzung bestehen noch viele offene Fragen, die das Bundesumweltministerium und das Umweltbundesamt bisher nur unzureichend beantworten konnten“, so Gerstein. Jetzt zusätzliche Regelungen zu schaffen und für alle Materialen eine Mehrwegalternativpflicht einzuführen, laufe allen Bemühungen der Inverkehrbringer entgegen, Alternativen für Einwegkunststoffverpackungen anzubieten und bestehende Verpackungen nachhaltiger zu gestalten. Damit entfalle ein wichtiger Anreiz, um innovative Entwicklungen im Verpackungsbereich anzustoßen.
Nicht nachzuvollziehen sei auch der Zeitpunkt, zu dem die Bundesregierung einen umfangreichen Vorschlag vorstellt. „Auf EU-Ebene läuft gerade die heiße Phase der Verhandlungen zur Revision der EU-Verpackungsverordnung“, so Gerstein. In der EU-Verpackungsverordnung (PPWR) werden genau diese Themenfelder verhandelt, doch das Kernanliegen ist hier vor allem die aus Sicht des HDE wichtige, weitgehende EU-Harmonisierung in zentralen Fragen. „Die Bundesregierung begibt sich in ein Wettrennen mit der EU, das für Handelsunternehmen eine lange Phase der Rechtsunsicherheit zur Folge haben wird“, so Gerstein weiter. Sobald die EU-Verordnung verabschiedet werde, müsse das EU-Recht national angewendet werden, was in Kürze eine erneute Anpassung der nationalen Regelungen erfordern werde. „Bedauerlich ist, dass die Bundesregierung hier zu einer Fragmentierung des EU-Binnenmarktes beiträgt. Damit leistet sie genau dem Flickenteppich Vorschub, der eigentlich überwunden werden soll, um die Nachhaltigkeitsziele EU-weit zu erreichen“, so Gerstein. Deutschland sei schließlich keine Insel. Die deutsche Wirtschaft und das ganze Land profitierten von den großen Errungenschaften eines EU-Binnenmarktes auf einzigartige Weise.